Waldorfausbildung – Das Interview mit Sonja Weidel

„Sie sind mit Leib und Seele Erzieherin in unserem Waldorfkindergarten, was hat Sie bewegt diesen Berufsweg zu geben?“

„Schon im Kindergartenalter hatte ich den Wunsch, Erzieherin zu werden. Nachdem mein zweiter Berufswunsch – Schriftstellerin – in der 5. Klasse daran scheiterte, dass dies kein Ausbildungsberuf ist, war meine beruflicher Weg klar. Nach meiner fünfjährigen Ausbildung an einer katholischen Fachakademie arbeitete ich als Gruppenleitung in einer Kinderkrippe der AWO. Eine schöne und prägende Zeit und doch hat mir in der dortigen pädagogischen Arbeit etwas gefehlt: eine ganzheitliche Erziehung. In meinem Verständnis fehlten Zusammenhänge, Inhalte, Hintergründe der gefeierten Feste und eine sinnvolle Einbettung der gesungenen Lieder. Und genau die Lücke wird in der Waldorfpädagogik gefüllt, hier hat alles seinen Hintergrund und damit auch einen die Erziehung eines Kindes prägenden Gehalt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass ich meinen Platz in unserem Waldorfkindergarten gefunden habe. Um mein pädagogisches Wissen noch zu vertiefen, absolviere ich gerade am Südbayerischen Seminar für Waldorfpädagogik die dreijährige Ausbildung zur Waldorferzieherin.“

„Was ist das Besondere an der Waldorfpädagogik und wie macht sich das in unserem Kindergarten bemerkbar?“

„Ich mag die Atmosphäre und Harmonie in unserem Kindergarten. Die Menschen und damit natürlich auch schon die Kleinsten werden hier als Ganzes wahrgenommen. In unserem Waldorfkindergarten hat eben alles seinen Hintergrund und Gehalt, wir machen nichts um des reinen Tuns wegen. Es gibt immer einen Hintergrund, warum und wie wir etwas machen. Und natürlich setzen wir sehr auf das für das Kinderalter prägende Nachahmungsprinzip. Dass Kinder nachahmen, was um sie herum geschieht, ist bekannt. Wir haben wohl alle schon beobachtet, wie kleine Kinder neben Erwachsenen stehen und deren Gesten nachahmen: sie bewegen das Bein, die Hände und räuspern sich genau wie diese. Und so sagen wir unseren Kindergartenkindern nicht, wie sieht gerade und „richtig“ bei Tisch zu sitzen haben, wir machen es ihnen vor und erleben so beispielsweise das Hinsetzen als bewussten Prozess. Das Nachahmen ist für das Kind ebenso wichtig wie das Atmen: Die Sinneseindrücke werden eingeatmet, das Nachahmen folgt wie das ausatmen.“ 

„Was wünschen Sie sich für die gute Eltern-Erzieherarbeit?“

„Ich bin davon überzeugt, dass jede Mutter und jeder Vater immer – im Rahmen ihrer persönlichen Möglichkeiten und familiären Umständen – bestrebt sind, das Beste für ihr Kind zu tun. Es ist ein stetiges Zusammenspiel: die Eltern sind Experten was ihr Kind betrifft, wir Erzieher bringen den neutralen Blick von Außerhalb, haben diesen pädagogischen Beruf erlernt und bilden uns in diesem Zusammenhang auch stätig fort. Wenn beide Seiten ein Zusammenkommen beider Positionen zulassen, steht einer aktiven Zusammenarbeit und ganzheitlichen Erziehung des Kindes nichts im Wege.“ 

Interview: Alexandra Schelzig